Frühkastration

 Meerschweinchen sind sehr fortpflanzungsintensive Tiere. Sie können bereits im Alter von unter 4 Wochen geschlechtsreif werden, also zu einer Zeit, in der die Geschwister eines Wurfes meist noch nicht getrennt worden sind. Daraus kann resultieren, dass die kleinen Weibchen oft schon tragend abgegeben werden. Vielfach werden die Böcke erst mit einem Alter von 5 - 6 Monaten kastriert, da viele Tierärzte sich vorher eine Kastration nicht zutrauen. Das bedeutet für viele Tiere die Trennung von Mutter und Schwestern bereits im Alter von 3 - 4 Wochen, eine mindestens viermonatige Wartezeit bis zur Operation und weitere sechs Wochen "Sicherheitsabstand" bis zur Integration in eine gemischt geschlechtliche Gemeinschaft. Meerschweinchenböcke können nämlich bis zu 6 Wochen nach der Kastration noch zeugungsfähige Spermien im Ejakulat aufweisen.

Damit die kleinen Jungs nicht allzu früh von der Mama weg müssen,  wurde eine Methode zur Frühkastration entwickelt und in der Fachliteratur veröffentlicht (Morgenegg, G., 1995). Dabei werden die Männchen mit einem Gewicht von 220 - 300 g im Alter von 3 - 4 Wochen bereits vor Eintritt der Geschlechtsreife kastriert. Das Positive ist, dass sie direkt nach dem Eingriff wieder zurück in die gemischt geschlechtliche Gruppe können, ganz ohne Wartefrist.

 

Was sind die Gründe für eine Frühkastration?

Für eine Frühkastration sprechen neben der Verhinderung unerwünschten Nachwuchses natürlich zunächst psychologische Gründe: keine Trennung von Eltern und Geschwistern, kein sechswöchiges schlechtes Gewissen beim Tierhalter. Je nach Art der Narkose sausen die Kleinen bereits kurz nach der OP wieder durchs Gehege.

Im jugendlichen Alter treten wesentlich weniger Nebenwirkungen bei der Operation auf, es kommt deutlich seltener zu Abszessen. Die Narkose wird besser vertragen und vor allen Dingen ist die Gefahr von Blutungen und dadurch bedingter Schwächung des Organismus auf ein Minimum reduziert, weil die beteiligten großen Blutgefäße auch erst mit Eintritt der Geschlechtsreife so richtig ihre Funktion aufnehmen.

 

Gegen eine Frühkastration spricht:

Frühkastrationsgegner befürchten, dass durch die geringere Testosteronbildung der Phänotyp (das Aussehen) und die Knochenreife beeinträchtigt werden könnten. Morgenegg konnte nach der Kastration von Brüdern aus einem Wurf in unterschiedlichem Alter weder bei den Gewichtskurven noch beim optischen Vergleich auffällige Unterschiede zu unkastrierten Tieren beobachten.

Sachser schreibt, dass Männchen, die alleine oder nur in Gesellschaft eines weiblichen Tieres aufwachsen, später unfähig sind, Konfliktsituationen aus dem Weg zu gehen. Im Gegensatz dazu lernen Böckchen, die in Gruppen aufgezogen werden, damit umzugehen. Dieser Prozess der sozialen Prägung findet erst nach dem Erreichen der Geschlechtsreife statt, wird also durch eine Frühkastration verhindert.

 

Zusammenfassung:

Es gibt gewichtige Gründe sowohl für als auch gegen eine Frühkastration. Sie sollte deshalb immer unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalles erwogen werden.

Nicht zu vergessen sei auch, dass jeder Eingriff in die Natur wohl überlegt sein sollt. Mit jeder Kastration geht man auch ein OP Risiko ein!

An dieser Stelle soll auch darauf hingewiesen werden, dass die Spätkastration keinerlei positiven Einfluss auf aggressives Verhalten im zwischen Böckchen hat oder zur Vergesellschaftung zweier oder mehrerer Böcke zwingend erforderlich ist!

 

Narkose beim Meerschweinchen

Vorbereitung und Nachsorge

Meerschweinchen sind wegen ihres empfindlichen Kreislaufs und einer ständig drohenden Hypothermie außerordentlich empfindliche Narkosepatienten.

Das Ausnüchtern des Meerschweinchens vor einer Operation sollte man unterlassen, da durch die mangelnde Nahrungsaufnahme das Verdauungssystem aus den Fugen gerät. Das Meerschweinchen kann nicht erbrechen und somit ist auch kein Risiko der Futteraspiration in der Narkose zu befürchten. Eine Ausnüchterung könnte statt dessen zu einer Ketose führen, wodurch eine zusätzliche Narkosebelastung erst zu einem echten Risiko wird.

Alle Meerschweinchen sollten bis zum vollständigen Erwachen unter Beobachtung beim Tierarzt bleiben. Dort werden sie auf einem Wärmekissen  o.ä. gelagert. Erst wenn die Körpertemperatur wieder im physiologischen Bereich (mindestens 38,5 °C) liegt, sie Futter aufnehmen, Kot und Harn abgesetzt haben und auch ansonsten fit wirken, sollten sie an den Besitzer zurückgegeben werden.

Nach schmerzhaften Eingriffen kann es sinnvoll sein vorübergehend Schmerzmittel zu geben, das entscheidet dann der Tierarzt vor Ort. Ein Alarmzeichen ist bereits das Anschwellen und Erwärmen des Wundbereichs sowie ein Anstieg der Körpertemperatur.

Vorsicht: einige Meerschweinchen reagieren mit Störungen der Wundheilung und/oder Abszessbildung auf manche Nahtmaterialien.

Es sollte wenn möglich immer der Inhalationsnarkose der Vorzug gegeben werden. Ihr Vorteil besteht in kurzen Einleitungs- und Aufwachphasen, sowie einer guten Steuerbarkeit und besseren Verträglichkeit.

 

Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Meerschweinchen-Hobby-Club e.V.


So kann die Narbe nach einer Kastration aussehen (es gibt unterschiedliche Methoden):